Ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Arbeitnehmer trifft volle Darlegungs- und Beweislast als Voraussetzung für Entgeltanspruch

Meist dient der Urlaub der Erholung. Oft aber kann er kränker machen, als man es vor Urlaubsantritt war. Doch Vorsicht vor einer "Urlaubsverlängerung auf Krankenschein". Denn mit der folgenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus Tunesien hatte selbst der Arbeitnehmer, den man in Sachen "krank aus dem Urlaub zurück" als Wiederholungstäter beschreiben kann, nicht gerechnet.

Der Lagerarbeiter hatte sich bei seinem Arbeitgeber in den Jahren 2017, 2019 und 2022 jeweils im Anschluss an einen mehrwöchigen Urlaubsaufenthalt in Tunesien arbeitsunfähig gemeldet. Im Jahr 2022 teilte er seinem Arbeitgeber seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit mit E-Mail vom 07.09.2022 mit - zwei Tage vor dem geplanten Urlaubsende. Er fügte der E-Mail das in französischer Sprache gehaltene Attest eines tunesischen Arztes bei. Demnach litt der Lagerarbeiter unter "schweren Ischialbeschwerden im engen Lendenwirbelsäulenkanal". Die Verordnung sagte zudem aus, dass er 24 Tage strenge häusliche Ruhe bis zum 30.09.2022 benötige. Während dieser Zeit dürfe der Mann laut Attest auch nicht reisen. Dennoch buchte der Arbeitnehmer einen Tag nach dem Arztbesuch am 08.09.2022 ein Fährticket für den 29.09.2022. An dem Tag trat er dann auch tatsächlich die Rückreise mit dem Pkw an. Der Arbeitgeber verweigerte eine Anerkennung der tunesischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Deshalb lehnte er auch eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin vor dem Arbeitsgericht die volle Bezahlung für den Monat September 2022 - die Sache ging bis vor das BAG.

Das Gericht urteilte, dass grundsätzlich der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hoch sei - auch aus einem Nicht-EU-Ausland. Maßgeblich sei dabei, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterscheidet. Genau hier hatte das BAG Zweifel und sah den Beweiswert der Bescheinigung als erschüttert an. Es bemängelte, dass das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht keine Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände vorgenommen hatte. Eine solche führte nun dazu, dass erhebliche Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit bestanden. Diese hielt das BAG vor allem deshalb für angemessen, da sich der Lagerarbeiter auch nach vorherigen Auslandsaufenthalten arbeitsunfähig krankgemeldet hatte. Zudem hatte er seine Rückreise nachweislich bereits einen Tag vor Ablauf des Reiseverbots angetreten, die Rückreise darüber hinaus bereits kurz nach dem Besuch beim Arzt in Tunesien gebucht. Das BAG entschied daher, dass der Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltanspruch nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz trage. Deshalb erhielt der Arbeitnehmer kein Geld.

Hinweis: Legt ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus dem Ausland vor, sollten stets die Gesamtumstände genau analysiert werden. Der Fall des BAG zeigt, dass Mitarbeiter, die sich immer wieder im Ausland krankschreiben lassen, schon allein deshalb bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leer ausgehen können.


Quelle: BAG, Urt. v. 15.01.2025 - 5 AZR 284/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 03/2025)