Verfahrensrecht: Kein Gestaltungsmissbrauch bei Übertragung eines Nießbrauchsrechts

Sie als Steuerzahler und das Finanzamt verfolgen unterschiedliche Ziele: Sie wollen so wenig Steuern wie möglich zahlen, das Finanzamt hingegen möchte gern so viel Steuern wie möglich einnehmen. Um den steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse Grenzen zu setzen, ist das Finanzamt laut Gesetz bei einer missbräuchlichen Gestaltung befugt, die Steuer zu erheben, die bei einer angemessenen Gestaltung anfallen würde. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und der Steuerpflichtige für die Gestaltung keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe nachweisen kann. Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) musste unlängst in einem Fall entscheiden, ob ein solcher Gestaltungsmissbrauch vorliegt.

Das klagende Ehepaar hatte eine gemeinsame Tochter. Der Ehemann erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Ehefrau war alleinige Eigentümerin des Betriebsgrundstücks, das sie seit dem Jahr 1995 an ihren Ehemann vermietet hatte. Im Jahr 2012 räumte die Klägerin ihrer Tochter einen befristeten, unentgeltlichen Nießbrauch an dem Betriebsgrundstück ab dem Jahr 2013 bis zum Ende des Jahres 2017 ein. Dieser wurde auch ins Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt erkannte die Bestellung des befristeten Nießbrauchsrechts zugunsten der Tochter steuerlich nicht an und sah darin einen Gestaltungsmissbrauch. Da das von den Klägern angestrengte Einspruchsverfahren erfolglos gewesen war, erhoben sie Klage.

Das FG gab den Klägern recht. Die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks sind der Tochter zuzurechnen. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt nicht vor, denn allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Auch Angehörigen ist es erlaubt, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. In diesem Fall hatten die Eltern der Tochter das Nießbrauchsrecht übertragen, damit diese ihr Studium finanzieren kann. Den Eltern stand es frei, ob sie der Tochter Barmittel überlassen oder ihr eben die Einkunftsquelle übertragen. Dass die Tochter einen geringeren Steuersatz als die Mutter hat, ist kein Argument, hier einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten anzunehmen. Die Konstellation ist steuerlich anzuerkennen, da die Vereinbarung zivilrechtlich gültig ist und auch dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.

Hinweis: Bei solchen Gestaltungen ist immer darauf zu achten, dass die Verträge zivilrechtlich wirksam sind und bei Gestaltung und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen.

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(aus: Ausgabe 09/2017)